Moderne Holzblasinstrumente
Die Holzblasinstrumente bilden keine einheitliche Gruppe, sondern nach Aussehen, Spielweise, Klang und Geschichte vier unterschiedliche Familien mit jeweils einem oder zwei Hauptinstrumenten und (in Klammern) einigen Nebeninstrumenten:
- Flöten: Große Flöte oder Querflöte (Pikkolo, Altflöte)
- Klarinetten: Klarinette (Kleine Klarinette, Altklarinette, Bassetthorn Bassklarinette)
- Saxophone: Altsaxophon, Tenorsaxophon (Sopransaxophon, Baritonsaxophon, Bass-Saxophon)
- Oboen: Oboe (Oboe d'amore, Englisch Horn), Fagott (Kontrafagott)
Die Merkmale der Familien zeigen sich am Aussehen ihrer Hauptinstrumente: Flöten - aufgrund ihrer Spielhaltung auch Querflöten genannt - haben keine Stürzen, sie sind aus Metall gefertigt, meist aus Neusilber oder Silber, nur gelegentlich aus Holz, Saxophone zeichnen sich durch ihre weite Schallröhre aus sowie - mit Ausnahme des Sopransaxophons - durch ihre aufgebogene Stürze. Sie sind aus Blech. Das Fagott ist stets aus Holz; es zeigt die typische geknickte Schallröhre, die Stürze ist kaum ausgebildet.
Klarinette und Oboe unterscheiden sich nur im Detail. Achtet man aber auf die Mundstücke und Stürzen, so zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Resonanzröhre der Klarinette ist außerdem dicker und länger als die der Oboe. Werden die Instrumente nicht gebraucht, nimmt der Oboist sein Rohrblatt ab, der Klarinettist stülpt eine Kapsel über das Mundstück.
Die untere Grenze des Tonumfangs von Flöte und Oboe ist ähnlich, ebenso die obere Grenze des Tonumfangs von Flöte und Klarinette. Die Klarinette hat nach unten einen erweiterten Tonumfang, verglichen mit Flöte und Oboe. Damit hat sie von allen Holzblasinstrumenten den größten Tonumfang. Der Tonumfang des Fagotts entspricht etwa dem des Violoncellos.
Im klassischen Sinfonie- und Opernorchester sind in der Regel je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotte vertreten. Nur gelegentlich werden Pikkoloflöte, Englisch Horn, Bassetthorn und Kontrafagott verwendet. Im 19. Jahrhundert werden diese und andere zusätzliche Instrumente immer häufiger verlangt, da die Komponisten nun die Klangfarbe der einzelnen Instrumente ganz bewusst in der Komposition berücksichtigen. Seit Richard Wagners Musikdramen hat sich die dreifache Besetzung der Holzbläser eingeführt. Die Saxophone werden im Orchester nur vereinzelt verwendet.
Weiterhin bilden die Holzblasinstrumente zusammen mit den Blechblasinstrumenten die sogenannte Harmoniemusik. Zu ihr gehört die Militärmusik, aber auch viele Musikvereinsorchester (Blasorchester) sind Harmoniemusikorchester. Solche Harmoniemusiken gab es bereits im 18. Jahrhundert, zum Beispiel von Mozart, Haydn und Beethoven.
Schließlich existiert eine große Vielfalt von Kammermusikbesetzungen mit Holzblasinstrumenten allein oder gemischt mit Streich- und Tasteninstrumenten sowie Blechblasinstrumenten, vor allem mit dem Horn.
Die U-Musik verwendet alle Holzblasinstrumente. Besonders aber haben Klarinetten und Saxophone in Unterhaltungs- und Jazzkapellen Eingang gefunden.
Familie der Flöten
Das Hauptinstrument ist die Große Flöte oder Querflöte, einfach auch nur Flöte genannt. Die Griffweise bietet trotz der verwirrenden Vielfalt von Klappen, Ringklappen, Hebeln, Rollen u. a. alle Voraussetzungen zu einer virtuosen Spielbarkeit. Dem Anfänger machen denn auch die Atemtechnik und der Ansatz, also die besondere Art des Anblasens des Mundstücks, eher Schwierigkeiten. Der Bläser formt dabei mit den Lippen einen flachen Luftstrahl, mit dem er die Kante des Anblaslochs treffen muss.
Die Pikkoloflöte, auch Kleine Flöte genannt, ist eine Querflöte, die etwa halb so lang ist wie die Große Flöte, ihr Tonbereich ist deshalb auch um eine Oktave nach oben verschoben. Die Pikkoloflöte klingt für sich allein weniger überzeugend, dringt aber auch gegen ein volles Orchester durch. Sie ist das höchste Instrument im Orchester.
Die Altflöte liegt mit ihrem Tonumfang um einige Töne tiefer als die Große Flöte; es gibt Altflöten in g, f und es, womit auch ihr jeweils tiefster Ton bezeichnet ist. Die Altflöte gibt es in gerader oder abgeknickter Bauweise. Auch eine Bassflöte in c wurde entwickelt und in neuer Musik gelegentlich verwendet.
Familie der Klarinetten
Die Spieltechnik der Klarinetten unterscheidet sich erheblich von derjenigen der Querflöten. Der Spieler nimmt das Mundstück in den Mund und muss es mit einem kräftigen Anblasdruck zum Schwingen bingen. Das Mundstück besteht aus einem Blatt, das auf eine passende Bahn gebunden wird. Die Grifftechnik ist zwar komplizierter als bei der Flöte, erlaubt aber dennoch eine enorme Virtuosität. Der Tonumfang der Klarinetten ist besonders groß. Heute finden zwei etwas unterschiedliche Typen von Klarinetten Verwendung: die Deutsche oder Oehler-Klarinette mit ihrem weicheren Klang wird vor allem in Deutschland im Bereich der sogenannten E-Musik gespielt, die Boehm-Klarinette, etwas lauter und schärfer im Klang, findet außerhalb Deutschlands und generell im Jazz und in der U-Musik Verwendung.
Die Klarinetten gehören zu den sogenannten transponierenden Instrumenten, ausgenommen die Klarinette in c. Die notierte Klarinettenstimme gibt nicht unmittelbar die Tonhöhe an, die erklingen soll, sondern stellt vielmehr eine Anweisung dar, welche Klappen zu betätigen sind. Die notierte Note c' zum Beispiel ergibt bei der Klarinette in B ein b, bei der Klarinette in A ein a, bei der Kleinen Klarinette in Es ein es'. Die transponierende Notation macht es möglich, dass ein Klarinettist alle Instrumente der Klarinettenfamilie spielen kann, weil ein bestimmter notierter Ton immer denselben Griff verlangt. Zu den transponierenden Instrumenten gehören u. a. auch die Saxophone, Trompeten und Hörner.
Das Hauptinstrument dieser Familie, die Klarinette, gibt es in drei Größenvarianten, die sich voneinander wenig unterscheiden: die Karinette in B - das meist benutzte Instrument, die Klarinette in C - sie steht im Tonumfang ein wenig höher und die Klarinette in A - sie steht ein wenig tiefer, ihr Klang ist etwas dunkler und weicher. Die Längenunterschiede zwischen Klarinette in A und B bzw. B und C betragen nur etwa zehn Prozent. »In B«, »in A« u. ä. bedeutet, dass das jeweilige Instrument besonders leicht in der betreffenden Tonart, also - in diesem Beispiel - in B-dur bzw. A-dur gespielt werden kann.
Die Familie der Klarinetten ist besonders vielfältig. Neben dem Hauptinstrument in drei Größen gibt es mehrere Nebeninstrumente, alle wieder in verschiedenen Größen:
Die Kleine Klarinette - ebenfalls in mehreren Größen gebaut - steht im Tonumfang nur wenige Töne höher als die Klarinette in B, ihr Klang ist aber schärfer.
Das Bassetthorn und die Altklarinette liegen einige Töne tiefer als die Klarinette. An dem abgebogenen Mundstück und der meist aufgebogenen Stürze aus Metall sind diese Instrumente zu erkennen. Das Bassetthorn - vor allem Mozart hat es mehrfach vorgeschrieben - steht mit einem Stachel auf dem Boden, oft hat es auch eine gerade Stürze; sein Tonumfang reicht weiter nach unten. Die Altklarinette ist selten anzutreffen.
Die Bassklarinette ist das Bassinstrument der Klarinettenfamilie. Ihr Tonumfang entspricht etwa demjenigen des Fagotts. Die Stürze ist meist nach oben gebogen, selten gerade an das Rohr angesetzt. Die noch größere Kontrabassklarinette ist selten. Die tieferen Klarinetten haben auf den ersten Blick in ihrer Form Ähnlichkeit mit Saxophonen. Alle Klarinetten sind aus Holz, abgesehen von der Stürze der größeren Formen und seltenen Ausnahmen in der Harmoniemusik, alle Saxophone sind aus Blech.
Familie der Saxophone
Die Anblastechnik der Saxophone entspricht derjenigen der Klarinetten, die Griffweise ist einfacher. Die Saxophone haben im Bereich der E-Musik nur eine geringe Bedeutung erlangt, um so wichtiger sind sie dagegen im Jazz und der U-Musik, für den Jazz können sie geradezu als Klangsymbol gelten.
Die Saxophonfamilie ist bei den Holzblasinstrumenten die jüngste Familie. Sie wurde von Adolphe Sax, einem belgischen Instrumentenbauer, um 1840 aus einer Kombination von Bassklarinette und Ophikleide, einem Klappenhorn, entwickelt. Es gelang Sax nicht, die Saxophone ins Opern- und Sinfonieorchester einzuführen. Georges Bizets »Arlésienne«-Suite, Maurice Ravels »Bolero« und seine Instrumentierung von Modest P. Mussorgskijs »Bilder einer Ausstellung« gehören zu den wenigen Ausnahmen. Das Saxophon machte seinen Weg über die französischen Militärkapellen, die Militärkapellen der amerikanischen Südstaaten, nach deren Auflösung wurde es von den schwarzen Jazzmusikern im New Orleans-Jazz gespielt, bis es in die Swingorchester Eingang fand und mit diesen nach Europa zurückkehrte.
Hauptinstrumente sind das Tenorsaxophon vor allem, aber auch das Altsaxophon. Serienmäßig werden heute dazu noch das Sopransaxophon, das Bariton- und Bass-Saxophon gebaut. Sopranino- und Kontrabass-Saxophon sind selten anzutreffen.
Familie der Oboen
Die Instrumente der Oboenfamilie werden mit einem doppelten Rohrblatt angeblasen, daher auch die Bezeichnung Doppelrohrblattinstrumente. Das Rohrblatt besteht aus zwei aufeinandergebundenen Segmenten eines Pfahlrohrs, einer hochgewachsenen subtropischen Grasart, aus der auch die Klarinettenblätter gewonnen werden. Berufsmusiker bauen auf das Rohr selbst, ein subtiles Mundstück, von dem viel abhängt; es darf nicht zu trocken, nicht zu feucht sein, es muss genau die richtige Spannung und Dicke haben.
Die Hauptinstrumente der Familie sind Oboe und Fagott. Die Oboe ist das Sopraninstrument ihrer Familie, das Fagott das Bassinstrument. Das Altinstrument ist das Englisch Horn. Bemerkenswert am Englisch Horn ist das birnenförmige Rohrende. Es verleiht dem Instrument einen warmen, näselnden Klangcharakter, besonders in der tiefen Tonlage. Etwas kleiner als das Englisch Horn ist die Oboe d'amore; sie endet ebenfalls in dem birnenförmigen Schallstück, das auch »Liebesfuß« genannt wird.
Ein vergrößertes Fagott ist das Kontrafagott. Die Länge seiner schwingenden Luftsäule beträgt etwa sechs Meter. Es verfügt über die tiefsten Töne des gesamten Orchesters. Die Frequenz dieses tiefsten Tons liegt immerhin unter 30 Hz. Das ist eine Oktave tiefer als der tiefste Ton des Fagotts. Die Stürze des Kontrafagotts ist im Gegensatz zum Fagott nach unten gerichtet.
Akustik der Holzblasinstrumente
Blasinstrumente bestehen grundsätzlich aus einem Mundstück (Generator) und einer Röhre (Resonator).
Mit dem Mundstück werden die Schwingungen erzeugt. Bei den meisten Blasinstrumenten kann man es von der Röhre trennen. Bläst man dann hinein, gibt es einen Klang ab, der relativ schwach, unschön und musikalisch kaum zu verwenden ist; mit dem Klang des ganzen Instruments hat er nicht viel Ähnlichkeit. Erst durch die Ankopplung des Rohres, also eines Resonaors, entsteht der volle, wohlklingende Ton.
Die Schwingungen der Luftsäule im Resonator kommen dadurch zustande, dass der gleichmäßige Luftstrom, den der Bläser in das Instrument leitet, in sehr rascher Folge immer wieder unterbrochen wird. Damit entstehen im Resonator abwechselnd Zonen mit höherem und niedrigerem Druck. Und das ist die Schallwelle, der Klang, den wir hören. Das Mundstück ist physikalisch also nichts weiter als ein Luftstrom-Unterbrecher. Bei den Blechblasinstrumenten gehören die Lippen des Bläsers allerdings zu diesem Unterbrechersystem. Es gibt bei den Holzblasinstrumenten zwei grundsätzlich sich unterscheidende Formen eines solchen Unterbrechers:
1. eine Schneide, gegen die der gebündelte Luftstrom geblasen wird, wie bei den Flöten,
2. eine oder zwei bewegliche Zungen, die unter dem Einfluss eines auftreffenden Luftstromes den Luftzutritt zum Resonator periodisch sperren und öffnen, wie bei den Rohrblattinstrumenten.
Diese beiden Schwingungssysteme können auf ganz verschiedene Weise realisiert werden: Man kann einerseits das gesamte Schwingungssystem so herstellen, dass der Spieler dann nur noch in eine Öffnung blasen muss; man kann aber auch einige Funktionen den Lippen, der Mundhöhle, der Zunge oder dem Gaumen des Bläsers übertragen. Die Blockflöten z. B. besitzen ein voll »mechanisiertes« Mundstück. Beim Stillen Zink, einem historischen Instrument, hingegen werden alle Funktionen der Schwingungserzeugung dem Mund übertragen, das Instrument selbst ist eigentlich nur ein Resonanzrohr.
Der Resonator, die Schallröhre, verstärkt und veredelt nicht nur den Klang wie bei den Streichinstrumenten, sondern fixiert seine Tonhöhe auf den verschiedenen Tonstufen. Durch Reflexion der Schallwelle an den Enden der Röhre entsteht eine sogenannte stehende Welle, die überall da, wo sie mit der das Instrument umgebenden Luft in Kontakt ist, eine sich ausbreitende Schallwelle abstrahlt. Die Länge der stehenden Schallwelle bestimmt die Tonhöhe:
Beidseitig offene zylindrische oder konische Röhren verursachen Schwingungen der Luftsäule, deren Wellenlänge doppelt so lang ist wie die schwingende Luftsäule. Bei erhöhtem Anblasdruck kann die Wellenlänge auch gleich oder ⅔ der schwingenden Luftsäule sein; man nennt die letztgenannten Schwingungsformen Überblasen in die Oktave bzw. Duodezime.
Die Luftsäulen in einseitig offenen zylindrischen Röhren schwingen so, dass ihre Wellenlänge viermal bzw. beim Überblasen um ⅓ länger ist als die schwingende Luftsäule.
Auf den ersten Blick scheinen alle Holzblasinstrumente beidseitig offene Schallröhren zu haben, an einem Ende wird doch die Luft hineingeblasen, am anderen Ende, also bei der Stürze, strömt sie wieder heraus. Für die akustische Wirksamkeit ist aber entscheidend, ob die Öffnung im Mundstück klein verglichen mit dem Querschnitt der Schallröhre ist oder nicht. Eine kleine Öffnung im Mundstück ist für die Schallröhre sozusagen nicht vorhanden, die Schallröhre gilt dann als geschlossen. So stellen zylindrische Doppelrohrblattinstrumente einseitig offene Schallröhren dar, zylindrische Querflöten aber beidseitig offene Schallröhren.
Bei gleicher Länge der Schallröhren ergeben einseitig geschlossene zylindrische Röhren Schwingungen mit doppelter Wellenlänge verglichen mit ebensolangen beidseitig offenen Röhren oder Töne mit halber Frequenz; sie stehen also eine Oktave tiefer.
Bei allen Holzblasinstrumenten wird die Tonhöhe hauptsächlich verändert durch Verkürzung der akustisch wirksamen Rohrlänge. Denn je kürzer das Resonanzrohr, desto kürzer ist auch die Wellenlänge der Schwingung. Und die Wellenlänge ist wieder ein Maß für die Tonhöhe: kurze Wellenlänge = hohe Töne, lange Wellenlänge = tiefe Töne. Durch Klappen oder mit den Fingern abdeckbare Löcher dienen der akustischen Verkürzung.
Um die Tonhöhe zu verändern, muss der Spieler die rund 20 Tonlöcher am Resonanzrohr eines modernen Holzblasinstruments öffnen oder schließen. Dieses Problem wird mit einem komplizierten System von Deckeln, Ringen, Stangen, Hebeln und Rollen gelöst, das es ermöglicht, die vielen Löcher mit Virtuosität zu beherrschen. Dieses Klappensystem - auch Applikatur genannt - hat es außerdem möglich gemacht, die Lage, Größe und Anzahl so zu bohren, wie sie für die gewünschte Klangqualität und Festlegung der Tonhöhe jedes Tons am günstigsten ist.
Das Material, das zur Herstellung von Blasinstrumenten verwendet wird, hat wenig Einfluss auf den Klang. Die Oberflächenstruktur, rauh oder glatt, hat sicher eine größere Bedeutung als die Art des Materials. Wichtiger ist die Form der Röhre, sie kann zylindrisch oder konisch sein oder zylindrische und konische Teile haben.
Bei den meisten Blasinstrumenten erweitert sich die Röhre an ihrem unteren Ende zu einer »Schallstürze«. Sie ist bei Blechblasinstrumenten besonders ausladend gestaltet. Flöteninstrumente haben keine Stürze.
Interessant ist die Funktion der Schallstürze. Sie hat für die tiefsten Töne dieselbe akustische Funktion, wie sie die geöffneten Löcher für die hohen Töne haben: Bei den höheren Tönen schließt sich ja an die akustisch wirksame Rohrlänge ein Stück Rohr mit einigen offenen Löchern an; dieses Rohrstück hat natürlich trotzdem Einfluss auf Klangfarbe und Klangabstrahlung. Bei den tiefsten Tönen fehlt dieses gelochte Rohrstück ganz bzw. ist sehr kurz; seine Funktion für den Klang übernimmt die Stürze. Bei fehlender Schallstürze wäre die Klangfarbe der tiefsten Töne also ganz anders. Tatsächlich wirkt sich der Einfluss der offenen Löcher nur auf die ganz hohen Tonkomponenten aus, und die fehlen praktisch bei der Flöte. Also braucht die Flöte keine Stürze.
Flöten
Der Luftstrom wird in einer schmalen Spalte zu einem flachen Luftstrom, einem »Luftblatt«, gebündelt und trifft auf dei Schneide. Hier teilt er sich nicht, sondern wird insgesamt nach einer Seite hin abgelenkt, um gleich darauf auf die andere Seite zu springen. Dabei löst sich das Luftblatt in einzelne Wirbel auf. Es schwingt und erzeugt den sogenannten Schneidenton.
Koppelt man ein solches Schneidensystem an einen Resonator, so wird der Luftstrom in seiner Gestalt als Luftblatt einmal in den Resonator, einmal nach außen abgeleitet. Es entstehen in der Schallröhre periodische Druckschwankungen, eben Schallwellen.
Bei den Querflöten bilden die Lippen des Bläsers den Spalt, sie formen also das Luftblatt. Das Anblasloch der Flöte bildet die Schneide. Die Flöten werden quer zum Mund gehalten, die Schneidenkante verläuft parallel zum Resonanzrohr.
Bei den Blockflöten und den Lippenpfeifen der Orgel wird das Luftblatt in der Kernspalte geformt. Es ist deshalb viel einfacher, einen Ton auf einer Blockflöte zu blasen, aber die Möglichkeiten der Klangformung durch den Spieler sind bei der Querflöte vielfältiger; sie hat sich deshalb seit 1750 gegen die Blockflöte durchsetzen können.
Die Querflöte hat einen bemerkenswert gleichmäßigen Teiltonaufbau: der Grundton ist meist am stärksten, die Teiltöne nehmen mit steigender Frequenz stetig ab. Das Spektrum reicht - je nach Grundtonhöhe - kaum über 3000 bis 6000 Hz hinaus. Leise Klänge haben fast den Charakter einer Sinusschwingung. Auffällig bei der Querflöte ist der relativ lang dauernde Klangeinsatz. Er beginnt mit einem sogenannten Vorläuferton, der bei tiefen Flötentönen etwa drei Oktaven über dem Grundton, bei hohen Tönen etwas unter dem Grundton liegt. Insgesamt kann das Einschwingen bis etwa 0,1 s dauern, an der Präzision des Zusammenspiels im Orchester gemessen ein relativ unprägnanter Klangeinsatz.
Die Klangmerkmale der Pikkoloflöte entsprechen denen der Großen Flöte. Das Spektrum reicht aber bis etwa 10.000 Hz. Ihr klangliches Durchdringungsvermögen beruht weniger auf dem Frequenzumfang des Spektrums als auf der Tatsache, dass die Grundtöne der Pikkoloflöte in einen Bereich fallen, in dem das Gehör besonders empfindlich ist.
Kennzeichnend für die Querflöten sind der relativ starke Geräuschhintergrund, hervorgerufen durch das Anblasgeräusch, und Schwankungen des Pegels von Ton zu Ton und mikrozeitlich auch innerhalb eines Tons.
Rohrblattinstrumente
Bei der Klangerzeugung der Rohrblattinstrumente gibt es zwei Prinzipien: Die aufschlagende Zunge wird durch den auftreffenden Luftstrom in Schwingungen versetzt. Dabei öffnet und schließt sie periodisch die Luftzufuhr zur Resonanzröhre, die unten angekoppelt ist. Die Zunge wird auch einfaches Rohrblatt genannt.
Aufschlagende Zungen haben die Instrumente der Klarinettenfamilie und der Saxophonfamilie, außerdem die Zungenpfeifen der Orgel und die Harmonikainstrumente.
Der Hohlraum, in dem die einfache Zunge schwingt, wird bei Klarinetten und Saxophonen durch die Mundhöhle des Spielers gebildet, in die das Mundstück des Instruments eingeführt wird. Das Mundstück selbst enthält also nur noch die Zunge und die Aufschlagvorrichtung.
Die gegenschlagenden Zungen schwingen durch den auftreffenden Luftstrom gegeneinander. Dabei öffen und schließen sie periodisch die Luftzufuhr zum unten angekoppelten Resonanzrohr. Man nennt diese Anordnung doppeltes Rohrblatt.
Gegenschlagende Zungen haben die Instrumente der Oboenfamilie - Oboe, Englisch Horn, Fagott -, aber im Prinzip auch alle Blechblasinstrumente.
Die Ausführungsform des Mundstücks der Oboenfamilie besteht in zwei aufeinandergebundenen Rohrblättern des Pfahlrohrs. Wie bei Klarinetten und Saxophonen wird der Hohlraum, in dem das Rohrblatt schwingt, durch den Mund des Spielers gebildet. Bei den historischen Windkapselinstrumenten gehört der Hohlraum zum Mundstück.
Das Spektrum der Klarinette ist nicht einheitlich, sondern zeigt im tiefen, mittleren und hohen Tonbereich unterschiedliche Merkmale: In der unteren Oktave des tiefen Tonbereichs sind die geradzahligen Teiltöne viel schwächer als die ungeradzahligen, erst bei den hohen Teiltönen verschwindet dieser Unterschied; diese Struktur des Spektrums macht den Klarinettenklang hohl und düster. Im mittleren Klarinettenregister sind nur noch der 2. und 4. Teilton schwächer, oberhalb des 4. Teiltons ist das Spektrum durch einen relativ gleichmäßigen Abfall der Teiltonamplituden gekennzeichnet. Im hohen Register schließlich fällt die Amplitude der Teiltöne mit zunehmender Frequenz relativ stetig ab. Der Frequenzumfang des Spektrums ist relativ groß, im Fortissimo reicht er auch bei tiefen Tönen schon bis etwa 7000 Hz, bei höheren bis etwa 12000 Hz; im Pianissimo verringert sich der Frequenzumfang ganz erheblich. Leise und laute Töne unterscheiden sich also ganz erheblich in ihrer Klangfarbe.
Der Klangeinsatz kann vom Spieler sehr unterschiedlich gestaltet werden: von einem kurzen, prägnanten Einsatz bis zu einem weichen Einsatz, bei dem sich der Klang innerhalb von etwa 50 ms aufbaut. Vorläufertöne wie bei der Flöte gibt es dabei nicht.
Kennzeichnend für die Klarinettenfamilie ist die Vielzahl ihrer Mitglieder. Bereits die »normale« Klarinette gibt es in drei Größen, als Klarinette in A, B und C. Instrumente mit so geringen Größenunterschieden konnten nur deshalb in Gebrauch bleiben, weil sie überraschend deutliche Klangfarbenunterschiede zeigen. Die Klarinette in A ist weicher und dunkler im Klang als die Klarinette in B, die Klarinette in C härter, vielleicht auch etwas »ordinärer« als die B-Klarinette.
Die Eigenschaften des Spektrums, die den Doppelrohrblattinstrumenten ihre Unverwechselbarkeit geben, sind ganz anderer Natur als diejenigen, die Flöten und Klarinetten kennzeichnen. Das Spektrum ist obertonreich, der Grundton ist verhältnismäßig schwach, der zweite Teilton überwiegt. Wesentlich für den Klangcharakter sind aber besonders die Formanten der Instrumente, sie geben der Klangfarbe etwas Vokalhaftes, etwas, was an die menschliche Stimme erinnert.
Der Hauptformant der Oboe liegt bei 1000 Hz, es ist ein Formant, der auch den Vokal A auszeichnet, der Oboenklang wird dadurch und wegen des großen Anteils hoher Teiltöne hell und klar. Die Formanten von Englisch Horn und Fagott liegen tiefer, beim Fagott stimmt er mit dem Formanten für den Vokal O überein. Der Nebenformant um 2000 Hz gibt den tieferen Doppelrohrblattinstrumenten etwas Näselndes im Klangcharakter.
Die Einschwingvorgänge sind wie bei der Klarinette einerseits kurz und prägnant, anderseits weich gestaltbar, je nachdem, wie die Töne angeblasen werden.